Die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards in der Produktion oder Ansätze der Unternehmen für ein verantwortungsvolles Lieferkettenmanagement (upstream) sind inzwischen fester Bestandteil des Dialogs zwischen Wirtschaft und Stakeholdern zu unternehmerischer Verantwortung. Viel weniger Teil einer aktiv und sichtbar geführten Debatte ist die Verantwortung von Unternehmen bei der Verwendung ihrer Produkte und Dienstleistungen (downstream) sowie die Verantwortung von Kunden und Konsumenten bei deren Auswahl und Nutzung.
Wer unternehmerische Verantwortung in einer globalisierten Gesellschaft diskutiert, muss alle gesellschaftlichen Akteure in den Blick nehmen und alle Stufen der Wertschöpfungskette betrachten.
Die Teilnehmer und Referenten der Nauener Gespräche 2018 diskutierten die Herausforderungen und Chancen, die sich aus dieser Perspektive auf die Wertschöpfungskette ergeben mit Vertretern von Unternehmen, Verbrauchern und Politik.
Zum Auftakt machte Dr. Philipp Hübl in seiner Keynote deutlich, dass es für Individuen sehr schwierig ist, Verhalten im Sinne der Nachhaltigkeit zu ändern – selbst wenn ein Problembewusstsein für die Thematik Nachhaltigkeit bereits vorhanden ist. Zu groß ist jedoch die menschliche Orientierung am kurzfristigen Nutzen, zu niedrig die Impulskontrolle, dem kurzfristigen Spaß für den langfristigen Nutzen zu entsagen, und zu hoch der Abstraktionsgrad bei Handlungen mit relativ kleinem individuellen Beitrag und sehr entfernter bzw. undeutlicher Kausalität in Sachen Nachhaltigkeit.
Als mögliche Lösungsoptionen aus dem Dilemma betonte Dr. Hübl die gesellschaftliche Bedeutung von Bildung – insbesondere des kritischen wissenschaftlichen Denkens – und der zukunfts(ab-) sichernden Bedeutung von internationalen zwischenstaatlichen Verträgen.
Karen Haman ergänzte in ihrem Beitrag die psychologische Perspektive auf das Thema und betonte, dass es auf persönlicher Ebene neben dem reinen Problembewusstsein auch ein Anerkennen der individuellen Verantwortung braucht – genauso wie die Überzeugung, mit dem eigenen Handeln, etwas bewirken zu können (Selbstwirksamkeit). Im Anschluss diskutierten die beiden Keynote-Speaker mit den Teilnehmern, welche Konsequenzen sich aus dieser Analyse konkret für die Nachhaltigkeitsstrategien von Unternehmen ergeben.
Die Workshops des zweiten Tages konzentrierten sich auf die Verantwortung von Verbrauchern bzw. Unternehmen:
Im Workshop zur Verbraucherperspektive wurden beispielsweise die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten der Konsumenten für eine verantwortungsvollere Nutzung von Produkten und Dienstleistungen und die traditionell geprägten Konsumstrukturen diskutiert, die sowohl das Angebot als auch den Konsum nachhaltiger Produkte erschweren. Um dem bereits existierenden sozio-ökologischen Problembewusstsein der Verbraucher auch mit einem tatsächlichen nachhaltigen Konsum zu entsprechen, reicht ein Verweis auf die individual-ethische Verantwortung nicht aus.
Unternehmen müssen sich neben den klassischen Themen der Wertschöpfungskette wie sozialen und ökologischen Produktionsbedingungen im In- und Ausland zunehmend auch mit der tatsächlichen und möglichen Verwendung ihrer Produkte und Dienstleistungen sowie deren Bedeutung und Mehrwert für die Gesellschaft auseinandersetzen. Im Workshop zur Verantwortung von Unternehmen stand beispielsweise auch die Frage im Raum, welche Produkte zukünftig nicht mehr angeboten werden sollten und wie schnell sich Geschäftsmodelle verändern lassen
Die Teilnehmer regten außerdem an, den Begriff „Produkt“ neu zu denken – weg vom Nebeneinander einzelner Produkte von Unternehmen, hin zu einer Cross-Industry-Lösung für konkrete gesellschaftliche Herausforderungen. Außerdem wurde die Bedeutung interner Managementstrukturen und deren Wandel diskutiert – eine Transformation hin zu einem offeneren, kreativeren Arbeitsumfeld, in dem Innovationen und das Erschließen neuer Geschäftsmodelle zunehmend geschätzt werden. Die Erkenntnis, dass es die Kollaboration aller Akteure – Unternehmen, Politik und Zivilgesellschaft – bedarf, rundete die Diskussion ab.
In der abschließenden Keynote betonte Kerstin Andreae, dass gesellschaftlicher Wandel hin zu nachhaltigerer Ressourcennutzung nur gemeinsam mit der Wirtschaft gelingen kann. Die Politik muss gerade bei Nachhaltigkeitsthemen mutig gestalten und eher nachfrageorientierte Konzepte vorlegen sowie Planungssicherheit für alle Beteiligten schaffen. Ein Dialog auf Augenhöhe sei eine Grundvoraussetzung dafür.