Vieles ist in Bewegung – das gilt für Nachhaltigkeitsthemen wie für das berufliche Wirken unseres Vorstandsvorsitzenden Daniel Schmid. Nach 33 Jahren hat Daniel den aktiven Dienst bei der SAP verlassen und berät nun unter anderem seinen Herzensverein, den 1. FC Kaiserslautern, in Nachhaltigkeitsfragen. Wie es zu diesem „Wechsel“ kam, was er über den aktuellen Nachhaltigkeitsdiskurs denkt und wie er im Jubiläumsjahr von econsense in die nächsten 25 Jahre des Netzwerks blickt, das schildert Daniel im großen econsense-Interview.
Ob in den USA, in der EU oder in Deutschland – in den letzten Monaten ist viel passiert. Wie blickst du auf den derzeitigen Nachhaltigkeitsdiskurs?
Daniel Schmid: Eine inhaltliche Debatte findet auf den großen politischen Bühnen kaum statt. Wenn Nachhaltigkeit dort zuletzt Thema war, sorgte das für eine Verunsicherung, die ich in dem Maße noch nicht erlebt habe.
Ein Beispiel: Nachhaltigkeit wird viel zu häufig als regulatorisches Thema diskutiert. Klar, manche Regelwerke sind in ihrem Detailgrad überzogen. Eine kritische Debatte ist hier sehr wichtig. Diese sollte jedoch nicht dazu führen, Regulatorik pauschal schlecht zu reden und gänzlich abschaffen zu wollen – und die Nachhaltigkeitsbemühungen gleich mit. Wir müssen darauf achten, dass das Pendel nicht von einem – gefühlten – Extrem ins nächste umschlägt.
Was wir bei all dem nicht vergessen sollten: Abseits hitziger Debatten werden in Unternehmen zahlreiche Nachhaltigkeitsthemen umgesetzt und Strategien entwickelt. Dieser Pragmatismus gefällt mir. In Zeiten multipler Krisen ist es ohnehin ein guter Rat, sich auf den eigenen Wirkungskreis zu fokussieren.
Wie gelingt es, wieder mehr Tiefe in den Nachhaltigkeitsdiskurs zu bekommen?
Daniel Schmid: Das „Warum“ von Nachhaltigkeit gehört in den Fokus. Wir alle sollten daran mitwirken, das Vertrauen in die Wissenschaft zu stärken. Jedes Gespräch kann dazu beitragen. Das ist wichtig, denn tatsächlich wird Nachhaltigkeit jeden Tag bedeutsamer.
Für uns bei econsense, als Nachhaltigkeitsnetzwerk der deutschen Wirtschaft, bedeutet das „Warum“ auch, den klaren Business Case von Nachhaltigkeit aufzuzeigen – sinnhaft und pragmatisch. Dazu gehört einerseits der Umgang mit ökologischen und sozialen Risiken. Vor allem sind es aber zahlreiche wirtschaftliche Chancen, die sich uns bieten. Nachhaltigkeit gehört in die Kerngeschäftsstrategie integriert. Nur das sichert den mittel- und langfristigen Erfolg des Unternehmens.
Gerade in diesen von Schwankungen geprägten Zeiten müssen wir aber auch die Menschen stärker einbeziehen, immer wieder aus der Perspektive verschiedener Anspruchsgruppen denken: Was sind die Themen und vielleicht auch Sorgen, die eine Gruppe umtreibt? Und welche Argumente könnten sie überzeugen? Das kann sich an die eigene Belegschaft richten oder an zukünftige Mitarbeitende, genauso wie an Vorstände, Investoren und Kunden.
Meine persönliche Überzeugung hat sich bei all dem übrigens nicht verändert: Nachhaltigkeit macht Spaß und ist ein Treiber für Innovationen und die Motivation. Es gibt zahlreiche positive Geschichten zu erzählen. Diese müssen wir so in den Diskurs einbringen, dass sie die Menschen begeistern und mitnehmen.
Kommen wir zu dir: Im Dezember 2024 endete deine aktive Tätigkeit bei SAP nach rund 33 Jahren, davon zehn Jahre als Chief Sustainability Officer. Wie kam es, dass du dort vorzeitig ausgestiegen bist?
Daniel Schmid: Zunächst müssen wir festhalten, dass ich mich nie bei der SAP beworben habe. [lacht] Meinen ersten Job nach dem Studium hatte ich im Unternehmen Kiefer & Veittinger, das 1997 von der SAP übernommen wurde. Diese Zeit wurde auf meine Betriebszugehörigkeit angerechnet. Vergangenes Jahr habe ich – so wie alle meines Jahrgangs – das Angebot erhalten, Teil des Vorruhestandprogramms von SAP zu werden. Meine gesamte berufliche Laufbahn hier habe ich als unglaubliches Privileg empfunden und so auch dieses Angebot.
Wenn ich bedenke, was ich für eine steile Lernkurve bei der SAP hatte und was mir alles – auch bereits in sehr jungen Jahren – zugetraut wurde, kann ich nur dankbar sein. Schließlich durfte ich die Nachhaltigkeitsreise des Unternehmens von Tag eins mitgestalten. Erst auf Projektebene und schon bald habe ich die ersten unternehmensweiten Ziele definiert und die organisatorischen Strukturen ausgearbeitet.
Bei der SAP bin ich erst zum Nachhaltigkeitsthema gekommen und durfte es von 2014 bis 2024 als Chief Sustainability Officer weltweit verantworten. Das war mir eine Riesenfreude. Der Zeitpunkt, diese Verantwortung sowie das wunderbare Team an Matthias Medert weiterzugeben, war für mich optimal.
33 Jahre lang war ich in Rollen tätig, in denen ich wirklich eng getaktet war mit einer Fülle an Meetings und Verpflichtungen. Jetzt genieße ich es, einfach mal ein bisschen gelassener in den Tag zu starten. Ich kann mehr auf mich achten, aber auch weiter mit Fokus auf die Nachhaltigkeit tätig sein – zum Beispiel bei econsense. Seit Januar ist mir noch keine Minute langweilig gewesen.
Neben deiner Vorstandstätigkeit bei econsense hast du auch eine ganz neue Rolle: Du bist jetzt Nachhaltigkeitsberater bei deinem Herzensverein, dem 1. FC Kaiserslautern. Was machst du in der Funktion und was bedeutet dir das?
Ich beginne mit dem zweiten Teil der Frage, denn die Bedeutung für mich ist immens. Ich spüre eine riesige Begeisterung in mir, weil ich zwei Leidenschaften kombinieren kann – die eine für Nachhaltigkeit, die andere für den Verein 1. FC Kaiserslautern. Man muss wissen, ich bin auf dem Betzenberg groß geworden, habe in unmittelbarer Stadionnähe gelebt. Mit fünf Jahren war ich bereits in der Leichtathletikabteilung des FCK aktiv und habe bei jedem Heimspiel der Roten Teufel im Stadion mitgefiebert.
Der 1. FC Kaiserslautern ist ein Verein, der zwar eine große Strahlkraft hat, aber sehr schlanke Strukturen. Auf der Geschäftsstelle arbeiten circa 50 Menschen. Für das Lizenzierungsverfahren durch die Deutsche Fußball-Liga (DFL) muss man 65 Fragen rund um das Thema Nachhaltigkeit beantworten. Da kreuzt man nicht einfach Ja oder Nein an, sondern geht tief ins Detail zum Soll- und Ist-Zustand. Dieser Fragenkatalog gilt für den Zweitligisten FCK, der noch vor einigen Jahren in der dritten Liga unterwegs war, genauso wie für die Klubs in Deutschland, die schon länger in der Bundesliga aktiv sind.
Von Beginn an waren es wunderbare Gespräche. Die Chemie hat perfekt gestimmt. Der Verein hat mir sofort signalisiert, meine Erfahrung und Kompetenz nutzen zu wollen. Ich unterstütze beratend Stefan Roßkopf, der als Leiter der Unternehmenskommunikation auch den Nachhaltigkeitsbereich verantwortet. In meiner Tätigkeit geht es insbesondere darum, die zum FCK passende organisatorische Verankerung zu etablieren, den strategischen Ansatz zu schärfen und gemeinsam mit den Bereichen Schritt für Schritt den Reifegrad zu erhöhen.
Der FCK hat bereits wunderbare Puzzle Stücke etabliert. Das ist auch in der DNA des Vereins verankert. Das sind Werte, die schon Fritz Walter eingebracht und vorgelebt hat, aber auch ein Norbert Thines als Präsident, bei dem die soziale Dimension sehr stark im Vordergrund stand. Jetzt gilt es, diese Puzzlestücke strategisch sinnvoll zu verbinden. Ich habe beispielsweise bei der Wesentlichkeitsanalyse geholfen, gemeinsam analysieren und verbessern wir derzeit Prozesse im Energiemanagement, in der Abfallwirtschaft, beim Wassermanagement, um mal Themen aus der Umweltdimension zu benennen.
Ganz entscheidend ist aber auch hier wieder, wie man die Menschen mitnimmt. Das geht bei den Mitarbeitenden los über die Mitglieder und Fans bis zu den Sponsoren. Da sind wir noch am Anfang, aber ich hatte kürzlich ein Auftakt-Event mit allen Mitarbeitenden und durfte dort einen Impuls geben. Das hat viel Freude gemacht, und es war schön zu sehen, wie das Anklang gefunden hat, weil sie die Chancen sehen, für den Verein Dinge sinnvoll nach vorne zu bringen. Dinge, die nicht nur positiv auf die Gesellschaft und unsere Umwelt einzahlen, sondern zugleich den langfristigen Vereinserfolg helfen zu sichern.
Blicken wir auf econsense: Hier bist du seit 2009 aktiv und seit knapp 3 Jahren Vorstandsvorsitzender. Was macht das Netzwerk für dich aus?
Ich erinnere mich noch daran, wie ich bei der SAP meine neue Rolle angetreten bin und überprüft habe, wo wir Mitglied sind. Ich habe dann intern gefragt, was wir bei econsense machen, und die Antwort war: Wir zahlen Mitgliedsbeitrag. [lacht] Da dachte ich mir: Wenn wir dort Mitglied sind, dann ganz oder gar nicht. Kurze Zeit später habe ich an meiner ersten Lenkungskreissitzung teilgenommen und schnell gemerkt, welches Potenzial econsense für uns bietet.
Als Plattform des vertrauensvollen Austauschs wird hier nicht nur darüber gesprochen, was man alles Tolles macht. Hier spricht man offen über Schwierigkeiten und bekommt Hilfestellung aus anderen Unternehmen geboten. Ich erlebe es als sehr bereichernd, dass wir ein branchenübergreifendes Netzwerk sind, das verschiedene Perspektiven anzubieten hat.
Auch meiner persönlichen Lernkurve hat das sehr geholfen. Gerade in einer Zeit wie dieser, wo Resilienz ein großes Thema ist – auf wirtschaftlicher wie persönlicher Ebene – ist der vertrauensvolle Austausch ein unglaublicher Mehrwert. Die Vielfalt der Argumente stärkt die eigene Haltung. Man lernt, Dinge auch mal „wegzuatmen“ und seine Themen mit Feingefühl und Geduld weiter voranzutreiben.
Nicht zuletzt macht econsense der immense inhaltliche Mehrwert aus, den die Expertinnen und Experten der Geschäftsstelle den Nachhaltigkeitsverantwortlichen bieten. Das erleichtert das Arbeitsleben ungemein, weil die Themen so gut aufbereitet und der Austausch so gut vorbereitet ist. Die Zusammenarbeit mit dem econsense-Team schätze ich sehr.
Deswegen habe ich mich immer auf die Termine bei econsense gefreut und bin umso glücklicher, seit drei Jahren hier als Vorstandsvorsitzender wirken zu dürfen. Auch im Vorstandsteam haben wir einen inhaltlich sehr wertvollen Austausch. Dazu gehört, in der Sache auch mal zu streiten. Ich halte es für enorm wichtig, ganz unterschiedliche Meinungen zu hören. Wichtig ist, dass alle bereit sind, daraus für die Zukunft einen Konsens abzuleiten – das steckt ja auch in unserem Namen.
Stichwort Zukunft: In diesem Jahr wird unser Netzwerk 25 Jahre alt. Was wünschst du econsense für die nächsten 25 Jahre?
Zunächst dürfen wir alle stolz darauf sein, wie sich econsense in den letzten 25 Jahren entwickelt hat. Für die Zukunft ist es ein guter Kompass, eine gewisse Kontinuität zu wahren, sich aber weiter gegenseitig herauszufordern, um Dinge noch besser zu machen, noch mehr Mehrwert für die Mitgliedsunternehmen abzuleiten.
Dazu gehört sicherlich auch, eine noch stärkere Stimme zu entwickeln. In den letzten Jahren beobachte ich, dass zahlreiche Organisationen und die politische Ebene auf uns zukommen und sich unsere Sicht einholen. Das spricht für die Reputation, die econsense über die letzten Jahre entwickelt hat. Diese Stimme können wir weiter ausbauen.
Den Kern unseres Mehrwerts, den vertrauensvollen Austausch und die hochwertigen Inhalte, sollten wir dabei nie aus den Augen verlieren. Was mir wichtig ist: Qualität entscheidet, nicht Quantität. Wir sind stolz darauf, mehr als 50 Unternehmen als Mitglieder zählen zu dürfen. Es ist aber auch nicht das Ziel, dass wir in 25 Jahren 100 Unternehmen werden. Die richtigen Unternehmen sollten dabei sein. Unternehmen, die sich mit ihren Perspektiven und ihrem Wissen einbringen und Dinge voranbringen wollen. So erhalten wir das, was unser Netzwerk ausmacht, und entwickeln es gezielt weiter.